Falkenburg, Kreis Dramburg
Eine Wanderung durch die schöne Heimatstadt
Heinrich Gumpert †
Wenn Sommer und Herbst sich die Hände reichen, dann warst du eigentlich am schönsten, Falkenburg, Heimatstadt. Wenn das Laub deiner Buchenwälder grün, gelb, rotbraun und golden leuchtete, wenn übe rdie spiegelblanken Flächen deiner Seen der „Altweibersommer“ zog, wenn der frisch gebrochene Acker würzigen Duft verströmte, dann – dann lockte es uns hinaus in die Schönheit deiner nahen und weiteren Umgebung, dann stiegen wir auf die Berge, die schützend dich umgeben, und ließen Herz und Hirn gesunden dem Anblick der märchenhaften Bilder, die die Natur hervorgezaubert hatte. Ist es ein Wunder, dass unsere Herzen gerade um diese Jahreszeit sich besonders nach dir, Heimatstadt sehnen?
Ein Werbeprospekt liegt vor mir, der all diese vielen Schönheiten Falkenburgs aufweist. Ich bin glücklich dieses Heftchen in den Händen halten zu dürfen. Ich kann damit durch alle vertrauten Gassen wandern, ich kann Wälder durchstreifen, ich kann im Faltboot auf lieblichen Seen umherpaddeln, ich kann, ach, ich kann alles, was ich will, in Gedanken, im Herzen.
Aber ihr alle, die ihr nicht dieses Kleinod von Werbeprospekt zur Hand habt, darf ich euch erzählen von unserem Falkenburg?
Ich will es tun.
„Falkenburg erwartet Dich! – Wann kommst Du?“
So steht es auf der Titelseite. Und ich meine, ich muss es gleich zu Anfang sagen: „Falkenburg, höre uns, wir kommen! Wissen auch noch nicht, wann der genaue Zeitpunkt sein wird. Uns genügt zu wissen, dass wir einmal kommen.“
Und mit dieser felsenfesten Gewissheit im Herzen können wir getrost eine Spätsommerwanderung wagen, ohne dass wir uns das Herz vor Sehnsucht bricht. Wir gehen ja durch unsere angestammte Heimat, die kleine Macht der Erde uns streitig machen kann, man kann sie uns vorenthalten, – doch nur auf Zeit.
Wir wissen auch, dass Krieg und Fremdverwaltung das Gesicht unserer Heimatstadt entstellten, da man die Wunden, die die Kriegsfurie schlug nicht heilte. Aber auch das soll uns nicht hindern, in Gedanken in diesen Spätsommertagen durch unserer Heimatstadt zu wandern und sie zu sehen, wie sie war, als man uns vertrieb.
Da ist zuerst das schöne Stadtbild. Die Stadt, eine ehemalige Grenzfeste der Neumark, entfaltet sich in ihrem älteren Teil auf einem riesigen Tonblock zwischen den beiden Flüssen Drage udn Vansow, so heißt es in dem Werbeheftchen. Der neue Teil hat sich vielseitig über deren Ufer ausgedehnt. Die Gassen und Straßen der Altstadt, traulich angeschmiegt an die ehedem trutzhafte Stadtmauer, träumen von vergangenen Tagen.
Still und müde ruhen diese ineinander geschachtelten Häuserreihen aus den vielen Nöten, Heimsuchungen und Fehden, Kriegen und Feuersbrünsten, die reichlich über sie dahingebraust sind. Die Jahrhunderte haben ihr Werk getan und das, was einst in Trotz und Stolz ragte, zum idyllischen Schmuck der Stadt verwandelt.
Im anderen Gewande zeigen die neuen Stadtviertel. Im Norden und Osten prangen an schönen vorbildlichen Straßen gartenumhegte Villen. Im Süden und am Raackow-See sind geschlossene Siedlungen entstanden. Ein Gang ins hügelig ansteigende Stadtinnere führt uns zum Marktplatz. Er überrascht in seiner klaren Linienführung. Eingefasst von farbenfrohen Geschäfts- und Amtsgebäuden, erscheint er wie ein großer heiterer Festsaal. Immer herrschte hier frohes bewegtes, buntes Treiben.
Eine Kette alter Baumreihen hüllt die abseitig gelegenen Straßenreihen der Wohnviertel in feierliche Ruhe. Blumengeschmückte und Busch bestandene Plätze füllen Ecken und Biegungen der Straßenzüge.
Südwärts erreicht man auf mannigfachen Wegen die grün gekuppelten Spitzen des Raackowberges. Aus 154 Meter Höhe schaut er wie ein freundlicher Geselle auf die unter ihm liegende Stadt und das prächtige Gefilde. Duftende Büsche und Sträucher schmücken seine Hänge, reichlich wechselnder Baumbestand seinen Rücken. Breite, schattige Spazierwege, sonnenüberflutete Kinderspielplätze, bequeme Ruhebänke laden zum Entspannen und beschaulichen Sinnen ein.
Im Norden der Stadt liegt, mit ihr durch eine Promenade und zwei Kunststraßen verbunden, der Grundey-Platz mit dem Restaurant Waldschänke. Gepflegte Wege führen durch alte Waldbestände von stundenlanger Ausdehnung. Kleine Seen, zahlreich eingebettet in ihr ewig rauschendes Schweigen, blinken überall durch den Gottesfrieden.
An der Stadt selbst liegt der Schlossgarten, ein Park von Kultur und historischem Reiz. Aus einer Fülle uralter Bäume, nordwärts umschmeichelt vom blauen Bad der Drage, ragt der massige Bau des Schlosses empor. Das köstliche Bild einer Burg im Flachlande öffnet sich dem Auge. Etwa sieben Jahrhunderte Weltgeschichte hat dieses einst wehr- und trutzhafte Bollwerk miterlebt. Tatkräftige Ritter haben hier ihre Rechte in manch langen und heißen Fehden verteidigt, aber auch ihrem Landesherren in Treue und Umsicht gediehnt.
Südlich der Stadt, durch Felder und schwellende Hügelketten lenkt uns der Weg zum Canzig-See. Sein terassenartiges steiles Ufer krönt ein Genesungsheim. Auch hier gibt es köstliche Waldwege und Promenaden an den schilfbesäumten Seeufern.
Da ist dicht an der Stadt der Crössin-See und der Völzkow-See, jeder etwa 6 km lang. Von diesen aus der lang gestreckte Vansow-See mit dem Bootswagen bequem erreichbar. In drei Stunden Fahrt, Drage aufwärts, gelangt man in den Sareben-See und den gewaltigen Dranzig-See, den tiefsten See Nord-Deutschlands. Ehe man seine zerklüfteten Ufer verlässt, muss man die zahlreichen Buchten angefahren haben, um deren Ufer mit ihren amphitheatralischen Aufbau und hervorragenden Waldbestand gesehen zu haben. Man kann in einer Tagesfahrt Drage abwärts den Großen Lübbe-See erreichen, der mit seinem 50 Kilometer Umfang jedem Wasserwanderer etwas Besonderes zu geben vermag.
So liegt See an See, blau schimmernd im tiefsten Waldesgrün. Unter zu Hilfenahme des Bootswagens kann man Wasserwandern, wochenlang.
(Abgedruckt im Dramburger Kreisblatt)