Erinnerung an die Flucht aus Giesen

Das Dorf durfte erst am 10. Februar 1945 verlassen werden, obwohl schon vor Weihnachten die Fluchtwagen vorbereitet und gepackt waren. Der Treck bestand aus mehreren Wagen mit den Familien der Gutsarbeiter Gut Giesen, der Vorwerke Christiansberg, Loisenthal und Heideschäferei, angeführt durch den Gutsinspektor Gut Giesen, Herrn Auräth. Mit angeschlossen waren die Wagen der Bauern, Kleinbauern und die Außenbauernstellen, die mit zum Dorf Giesen gehörten. Diese Wagenkolonne wurde durch den Ortsbauernführer Zietlow geführt.
Die geplante Fluchtstrecke Richtung Stettin mit Übergang über die Oder durften wir nicht fahren. Wir mussten über Christiansberg, Jakobsdorf Richtung Falkenburg fahren und sind dann auf Umwegen und Nebenstraßen südlich an Dramburg vorbei, Richtung Gollnow geleitet worden. Teilziel die Fährstelle Langenberg mit Übergang nach Pölitz.

Der gesamte Treck blieb bis Rosenow (ca. 15 km südostwärts Gollnow zusammen. In Rosenow entschlossen sich die Bauern unter der Führung von Herrn Zietlow umzukehren und nach Giesen zurückzufahren. Giesen wurde auch wieder erreicht, nachdem die Russen Giesen schon eingenommen hatten. Die letzten Dorfbewohner sind erst Anfang 1947 ausgewiesen worden. Von Rosenow aus ist dann der Gutstreck mit den Vorwerken über Gollnow bis Fürstenflagge weitergefahren.
Für diese relativ kurze Strecke von ca. 20 km wurden mehrere Tage gebraucht, da das Haff, die Oder und der Dammscher See ständig aus der Luft durch die Russen überwacht wurden und ein Übersetzen nur noch vereinzelt nachts möglich war.

Da unser Treck auf einem Knüppeldamm, der vor Fürstenflagge gebaut war, völlig zum Stehen kam und keine Chance mehr bestand noch mit den Pferdewagen übergesetzt zu werden, verließen einige Familien des Dorfes den Treck und flüchteten zu Fuß nach Langenberg, konnten auch noch nach Pölitz übergesetzt werden, Stettin erreichen, von dort weiterflüchten und Anfang April 1945 Schleswig Holstein erreichen.
Die Gespanne des Gutstrecks wurden nicht mehr übergesetzt, sie mussten wenden und in Richtung Stettin zurückfahren und sind dann unter großen Strapazen und Verlusten nach Rügen geleitet worden, wo die meisten auch geblieben sind und mit ihren Nachkommen heute noch leben. Über den letzten Fluchtverlauf von Fürstenflagge bis Rügen kann ich keine Auskünfte geben, da ich mit meiner Mutter, meinen beiden Schwestern, den Familien Klingbeil und Lück wie zuvor berichtet, den Treck verlassen habe, vor den Russen flüchten und Schleswig Holstein erreichen konnte.
Wilhelm Schwandt geboren und wohnhaft bis 15.02.1945 in Giesen, Haus 35